Komposition für Schlagzeug solo, 12’30”
Vivace, Maestoso, Lento, Vivace, Allegro Assai, Andante.
UA Sept 2015, Neukoellner Oper, Schlagzeug: Michael Weilacher
Zappora ist eine Komposition für Schlagzeug solo. Sie resultiert aus einer Beschäftigung mit der Position von Frank Zappa und wurde als Teil der Performance What Would Zappa Do (Ulrickson/Gagern) uraufgeführt.
Solange Frank Zappa lebte (1940-1993), lebte die Utopie, Rockmusik vertrüge innere Autonomie und das musikalisch Ungewohnte. Die Figur Zappa ist wie ein Bollwerk gegen die Akzeptanz, dass eigenwillige Mischformen keinen Platz haben, sei es in der Musikindustrie, sei es in den Kunstszenen, die sich auf den Gral der europäischen Klassik gesetzt haben. Doch schon Zappa konnte nur deswegen für diese Utopie stehen, weil er es schaffte, die Produktion seiner Musik selbst zu steuern. Er war, in einer Zeit, als man über Tonträger Geld verdienen konnte, wirtschaftlich erfolgreich genug, um zu tun, was er für richtig hielt. Seine unbedingte Autonomie im Denken fordert uns mehr als seine konkrete Tonsetzung dazu heraus zu fragen: What would Zappa do – today? Auch für das Schlagzeugstück Zappora stand nicht Zappas Musik in irgendeiner Form Pate, sondern ein dritter Komponist als gemeinsamer Bezugspunkt: Edgar Varèse hatte bereits vor 1933 das Schlagwerk und damit das Geräuschhafte gegenüber dem Tonhaften als musikalisches Material etabliert, letztlich den Musikbegriff erweitert, für viele ruiniert. Zappora bewegt sich auf dem Übergang zwischen bestimmten und unbestimmten Tonhöhen im Instrumentarium des orchestralen Schlagzeugs.
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Presse zu “What Would Zappa Do?”:
Der Tagesspiegel 27.08.2015 S.L23 / Spielzeit
DIE BÜHNENARBEITER
Der Freak als Philosoph
Der Komponist Moritz Gagern inszeniert gemeinsam mit der Choreografin Sommer Ulrickson eine Hommage an eine umstrittene Figur der Rockgeschichte: “What would Zappa do?” umkreist die Gedankenwelt des Musikers
Es gibt dieses Bild von Frank Zappa, das vor allem die amerikanischen Medien zu seinen Lebzeiten bedient haben: der Clown, der Freak, irgendwie crazy, ziemlich obszön. “Tatsächlich”, stellt Moritz Gagern fest, “war Zappa ein ernst zu nehmender Intellektueller.” Einer, der sich druckreif äußern konnte, zum Nahostkonflikt genauso wie zur Musikindustrie. Es gebe zum Beispiel dieses schöne Dokument einer TV-Talkrunde mit dem Thema: Wie explizit dürfen Rock-Lyrics sein? Versammelt sind zwei erzreaktionäre Journalisten, ein Moderator und der Musiker, alle in schwarzen Anzügen und weißen Hemden. “Zappa”, erzählt Gagern, “wird extrem angefeindet, lässt sich aber durch nichts in seinem Standpunkt irritieren: Worte sind nur Worte.” Am Ende, findet der Komponist, gehe der vermeintliche Hallodri “als der Souveränste und Durchdachteste” aus dem Schlagabtausch hervor. Moritz Gagern ist eigentlich kein glühender Zappa-Fan, klar, aber an den großen Hits aus den 80ern ist er auch nicht vorbeigekommen, “Bobby Brown” oder “Muffin Man”. Dass der gebürtige Münchner jetzt zusammen mit der amerikanischen Regisseurin und Choreografin Sommer Ulrickson dem Mann mit dem markanten Schnauzbart das Stück “What would Zappa do?” widmet, hat weniger mit musikalischer Prägung zu tun. Sondern mit einer Faszination dafür, “wie sich Zappa die Verbindung von Welten herausgenommen hat, die eigentlich getrennt sind in der Musik”. Zappas Kompositionen seien ursprünglich in der zeitgenössischen Avantgarde angesiedelt gewesen, zum Rock sei er als “Quereinsteiger ohne Kontext” gekommen, beschreibt Gagern. Kurzum: “Ein Solitär”. Moritz Gagern kennt diesen Zwischen-den-Stühlen-Zustand aus eigener Erfahrung. Er ist nicht über das akademische Kompositionsstudium, sondern über Jazz, Rock und Blues zur zeitgenössischen Musik gekommen. “Ich habe mir meinen eigenen Ausbildungsweg gebastelt”, berichtet er. Die Distanz zur zunftstrengen Welt der Hochschulen, in denen bis heute auf der Unterscheidung zwischen E und U beharrt werde, spüre er entsprechend stark. Während seines Philosophiestudiums hat er Filmmusik geschrieben, danach kamen Theaterkompositionen hinzu. So landete er beim experimentellen Tanz- und Musiktheater. Heute arbeitet er für die Neuköllner Oper genauso wie für die Bayerische Staatsoper – ebenfalls eine ziemlich Zappa-mäßige Horizontoffenheit. Die zeigt sich auch an den Projekten, die Gagern in der Vergangenheit schon mit Sommer Ulrickson erarbeit hat. Eines hieß “Lovesick” und hatte ebenfalls an der Neuköllner Oper Premiere. Die Geschichte spielte “in einem Pflege- und Heillager für amourös Lädierte, denen dort Rettung versprochen wird”, erzählt Gagern. “Bloß ist von der Belegschaft nur noch die Kurkapelle übrig.” Der Abend “Jerusalem Syndrom” dagegen kreiste an den Sophiensaelen – musikalisch wie choreografisch – um ein Phänomen, das meist evangelikale amerikanische Christen in der Heiligen Stadt ereilt: “Sie werfen sich ein Bettlaken als Toga über und verwandeln sich im Zustand der Psychose in eine Figur aus der Bibel.” “What would Zappa do?” handelt nun von einem Piratensender, der kurz vorm endgültigen Blackout steht und dessen letzte Sendung um die titelgebende Frage kreist: “Was würde Zappa tun?” Bloß die Musik des Maestros darf dabei nicht gespielt werden. Was einen ganz simplen Hintergrund hat: “Es ist unmöglich, die Rechte an den Songs zu bekommen”, lacht Gagern. Allerdings hätte ihn eine bloße Variation der Zappa-Songs auch nicht interessiert. Stattdessen wird nun ein gewaltiges Schlagwerk für einen Musiker auf der Bühne stehen. “Das hat insofern mit Zappa zu tun, als er von Edgar Varèse beeinflusst war, der das Schreiben für Schlagzeug überhaupt erst etabliert hat”, so Gagern. Die Auseinandersetzung aber finde in erster Linie “mit ihm als Figur und seiner Gedankenwelt statt”. In der Rockmusik, fügt Gagern noch hinzu, “gibt es ja nicht viele, die man ähnlich interessiert nach ihren Ansichten fragen würde”.
PATRICK WILDERMANN

Premiere 17.9., 20 Uhr. Weitere Vorstellungen 23. und 27.9., jeweils 20 Uhr
nmz – neue musik zeitung
Mehr als Anti – „What would Zappa do?“ an der Neuköllner Oper Berlin
Kritik (nmz) – Dieter David Scholz war bei einer Uraufführung an Berlins „außergewöhnlichster“ Opernbühne: Der Neuköllner Oper. Dort haben sich Sommer Ulrickson und Moritz Gagern mit Frank Zappa als Musiker, Mensch und als Figur der Zeit- und Musikgeschichte auseinandergesetzt. Dabei geht es „um Probleme gegenwärtiger Politik, um Fußball, ums Bier, vor allem um Sex, das Hauptthema Zappas.“ 17.09.2015 – Von Dieter David Scholz
Frank Zappa galt vielen als „genialer Rock-Clown“. Er wurde als „Enfant terrible der Popkultur“ bezeichnet und als „Freak aus Utopia“. Längst ist das schillernde Rock-Phänomen in den heiligen Hallen der Hochkultur angekommen. Der geniale Held und Magier musikalischen Ideenklaus, der sich aller nur erdenklicher musikalischer Mittel bediente und keiner Pop-Gattung eindeutig zuzuordnen ist, war ein respektloser Komiker und Zyniker, der mit Fäkalsprache, Leidenschaft für alles Sexuelle und Unverwechselbarkeit seines äußeren Auftretens seinen beißenden Spott über den Wahnsinn der modernen Lebenswelt ausgoß. Für Schauspielerin und Regisseurin Sommer Ulrickson und den Komponisten Moritz Gagern war dies Anlass genug, Frank Zappa an Berlins außergewöhnlichster Opernbühne einen außergewöhnlichen Abend zu widmen. „Seine Figur als Intellektueller Rock-, Jazz- und Neue Musik-Musiker ist so singulär, dass allein das schon ein Grund ist, ihn einmal exponiert darzustellen, was gleichzeitig eine Bespiegelung der so ganz anderen heutigen Realität ist und willkommene Reibungsfläche.“ (Moritz Gagern)
Für die meisten heutigen Popmusikhörer dürfte der Name des Amerikaners sizilianischer Abstammung, der 1993 gestorben ist, nicht mehr geläufig sein. Aber schon zu Lebzeiten war sein berühmtes Klo-Foto von 1969, das in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts fast in jeder Wohngemeinschaft hing, deren Bewohner sich als irgendwie „anti“ verstanden, sehr viel bekannter als seine Musik. Die Szene wird in der Performance nachgespielt. Schauspieler Christoph Schüchner, zugleich Zappa und Radiomoderator, sitzt mit nacktem Oberkörper in Zappa-Manier auf einem Klo im Keller. Von der Decke hängen Glühbirnen, darin eine rote, die aufleuchtet, wenn man „on air“ ist: Man wohnt der letzten Sendung des Piratensenders WWZD bei. Jeden Moment wird der Strom ausgeschaltet. Die Radiostation, die im Wesentlichen aus zwei Fanatikern besteht, besitzt alles, was es von und über Zappa gibt, nur eines hat sie nicht: das nötige Geld, um die GEMA-Pauschale für Zappamusik zu bezahlen. Trotzdem oder gerade deswegen geht es um die Frage: „What would Zappa do?“ Diese Frage, die wir immer wieder stellen, ist natürlich eine ironische Anspielung auf das amerikanische „What would Jesus do?“ (Sommer Ulrickson)
Es geht in dieser Performance aber nicht nur um lächerliche Auswüchse dummen Radiogelabers, das parodiert wird, sondern auch um Probleme gegenwärtiger Politik, um Fußball, ums Bier, vor allem um Sex, das Hauptthema Zappas. Die Performance ist zugleich Zappa-Hymne, Kritik am gesellschaftlichen Hier und Heute und Polemik gegen Musik im Dienste des Kommerzes. „What would Zappa say“ als Radio im Theater zu thematisieren ist heikel. Doch die vier Darsteller spielen souverän, mit Tempo und Wortwitz. Alles Angesprochene wird á la Zappa durch den Kakao gezogen, intelligent, geistreich und vergnüglich. Man trägt abwechselnd Zappa-Perücke und Zappa-Bart. Man spielt keine einzige Note Originalmusik von Zappa, zu streng und zu teuer sind die Auflagen des Zappa Family Trusts. Der Zappa-erfahrene Schlagzeuger Michael Weilacher und der Komponist und Gitarrist Moritz Gagern haben die Musik für diese Zappa-Huldigung geschrieben, die nicht so tut als ob, aber durchaus im Stile von Zappa an ihn erinnert, an eine der umstrittensten, aber auch faszinierendsten Gestalten des Rock, die für die Aufwertung der sogenannten populären Musik vielleicht mehr geleistet hat als die späten Beatles oder Pink Floyd, und doch heute ist Zappa heute nur noch ein bekannter Unbekannter.
„What would Zappa do?“
Performance mit Sommer Ulrickson und Moritz Gagern,
Neuköllner Oper Berlin, Premiere Do. 17.09.2015 Uraufführung.
17.9. – 28.10. 2015